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Infoheft 2011.1 |
Eine Betrachtung über den Einfluss
der Sonne auf das Erdgeschehen
Natürlich haben wir alle eine Vorstellung davon, dass die
Erddrehung den Wechsel von Tag und Nacht, die Schiefstellung
der Erdachse gegenüber der Erdbahn die Jahreszeiten
hervorbringt. Aus dem Zusammenwirken von Sonne und Mond rufen
die Meeresgezeiten vielfältige Wirkungen auf die Lebenswelt
hervor. Können aber auch die Sonnenflecken einen Einfluss auf
Klima und Wetter der Erde hervorrufen? Ja, und das lässt sich
auf vielfältige Weise nachprüfen. Eisbohrkerne aus den
Gletschern der Arktis lassen Schwankungen der
Isotopenzusammensetzung der eingeschlossenen Luftbläschen im
Rhythmus der
Sonnenfleckenmaxima erkennen. Am bekanntesten ist die
Untersuchung der Baumringbreiten an alten Hölzern, die
ebenfalls der Reihe der Sonnenfleckenhäufigkeit folgt. Wie
diese erstaunlichen Einflüsse funktionieren, konnte erst in
den letzten Jahren einigermaßen aufgeklärt werden. An den
äußerst komplizierten Ozonschicht in der Hochatmosphäre beteiligt.
Man könnte meinen, dass viele Sonnenflecken eine Verminderung
der Strahlung zur Folge haben, denn Sonnenflecken besitzen
eine bis zu 1000 Grad geringere Temperatur. Sie können in
Maximumszeiten bis zu einem Tausendstel der Sonnenoberfläche
bedecken, so dass weniger Strahlung bei uns ankommt. Das
stimmt so für den sichtbaren Strahlungsanteil. Sonnenflecken
sind aber auch stets von Protuberanzen begleitet, also von
Materieausbrüchen aus der Sonnenoberfläche. Und diese heizen
die obere Sonnenatmosphäre stärker auf. Die Folge ist, dass
die Sonne mehr Ultraviolettlicht abstrahlt. In der
Gesamtenergiebilanz wird dadurch die genannte
Strahlungsverminderung im sichtbaren Licht sogar
überkompensiert. Während der Zeit eines Sonnenfleckenmaximums
empfängt die Erde demnach mehr Energie von der Sonne.
Sonne mit
Protuberanzen
Foto: Udo Mutze
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Ozonschicht, die in 20
bis 30 Kilometer Höhe unsere Erde umfängt. Ozon ist
dreiatomiger Sauerstoff und hat die Eigenschaft,
Ultraviolettlicht aufzufangen. Dabei zersetzen sich die
Moleküle zu normalem zweiatomigen Sauerstoff. Dieser lässt das
UV-Licht in höherem Maße bis zur Erdoberfläche durchdringen.
Die Ozonschicht wird aber auch von unten her durch
verschiedene hochgewirbelte Schadstoffe zerstört. Im
Zusammenwirken von Erdmagnetfeld und natürlicher
Luftzirkulation sind in den Polregionen regelrechte
„Ozonlöcher“, als Gebiete mit geringerer Ozonkonzentration,
entstanden. Die oft gehörten Warnungen vor der Gefahr von
Sonnenbrand auf der Haut sind als wirklich ernst zu nehmen.
Der im jetzigen Sonnenzyklus so zögerliche Anstieg der
Sonnenfleckenzahl (s. Informationsblatt Nov./Dez. 2010), die
im Jahre 2013 wieder ein Maximum erreichen sollte, lenkt das
Interesse der Forscher auf eine Untersuchung des
langzeitlichen Verhaltens der Sonne. Unregelmäßigkeiten in der
Sonnenaktivität lassen sich aus den aufgezeichneten
Beobachtungen seit 1610, so wie aus den oben genannten
Messmethoden ableiten. So ist erwiesen, dass die kühleren
Sommer und die längeren Winter im Zeitraum von 1645 bis 1715 (Maunder-Minimum,
oder auch als „kleine Eiszeit“ bezeichnet), mit einer
auffallend geringen Anzahl von Sonnenflecken ursächlich
zusammen hängt. Auch hier stimmt die Feststellung weniger
Flecken - weniger Strahlungsenergie. Ähnliche Beobachtungen
gelten für den Zeitraum von 1800 bis 1820 (Dalton-Minimum).
Weiter zurückliegend wurden das Sporer-Minimum von 1420 bis
1570 sowie das Wolf-Minimum um 1320 und das Oort-Minimum um
1050 gefunden.
Da schon von der kleinen Eiszeit die Rede war, könnten
vielleicht auch die großen Eiszeiten der Erdgeschichte, die
mit einem Absinken und zwischenzeitlichen Anstieg des
Meeresspiegels verbunden waren, mit den Vorgängen im
Sonneninneren zusammenhängen? Auffällig ist ja, dass die
letzten drei Eiszeiten eine Dauer von jeweils knapp 100 000
Jahren hatten, unterbrochen von Warmzeiten, die nur wenige 10
000 Jahre dauerten. Solche nahezu regelmäßigen und doch
äußerst langsam ablaufenden Veränderungen in der Sonne sind
aberschwer vorstellbar. Für das Geschehen in der Sonne gibt es
bisher nur plausible Modellvorstellungen. Demnach findet in
der Kernzone bis zu 25% des Sonnenradius bei 15,7 Millionen
Grad die Umwandlung von Wasserstoff in Helium statt. Dabei
verlieren die Gammaquanten etwas Energie, so dass sie sich
nach vielen Zusammenstößen mit Wasserstoffatomen allmählich in
Röntgenquanten umgewandelt haben. Dieser Energietransport
durch die Strahlungszone, die bis zu 70% de Sonnenradius
reicht, soll, der Modellvorstellung zufolge, so langsam
verlaufen, dass jedes Gammaquant etwa 100 000 Jahre benötigt,
bis aus ihm ein Röntgenquant geworden ist. Könnte dieser
langsame Energietransport vielleicht mit einem ebenso
langsamen Pulsieren des Sonnenkerns zusammenhängen?
Darauf gibt es zur Zeit noch keine Antwort. An der
Untersuchung der Erdgeschichte sind sowohl Geologen als auch
Paläootologen beteiligt. Sie haben unabhängig voneinanderganz
erstaunliche Periodizitäten gefunden, die sich über noch viel
längere Zeiträume erstrecken. Die Paläoontologen fanden
heraus, dass es in den letzten 250 Millionen Jahren etwa aller
28 Millionen Jahre zu einem katastrophalen Artensterben auf
der Erde gekommen ist. Das große Sauriersterben vor rund 65
Millionen Jahren würde knapp zwei dieser Perioden umfassen.
Aber auch viele niedere Lebewesen sind jeweils „fast
schlagartig“ verschwunden. Auf eine ähnliche Periodenlänge
kommen die Geologen, wenn sie die Zeiträume der Entstehung
besonders vieler Meteorkrater auf der Erde und auf dem Mond
auflisten. Wenn diese Übereinstimmungen kein Zufall sind, wie
wären dann so lange Perioden erklärbar? Für uns hängt doch
nahezu jede größere Veränderung auf der Erde direkt oder
indirekt mit der Sonne zusammen. Vielleicht könnte die Sonne
auf ihrer Umlaufbahn um das Zentrum der Milchstraße ab und zu
in Regionen mit galaktischen Gaswolken oder die Nähe
benachbarter Sterne gelangen. Aber ein Umlauf in der
Milchstraße dauert rund 240 Millionen Jahre und würde diese
Regelmäßigkeit auch nicht erklären.
Von den amerikanischen Astronomen R. Muller, M. Davis und P.
Hut wurde im Jahre 1984 die These aufgestellt, die Sonne
könnte einen kleinen Begleitstern haben, der sie auf einer
lang gestreckten Ellipsenbahn umrundet und der aller 28
Millionen Jahre in unserer Nähe auftaucht. Dabei sollte der
sonnennächste Punkt aber noch weit außerhalb der Plutobahn und
des Kuipergürtels liegen.
Der Begleitstern würde dann bei jedem Umlauf die Oortsche
Wolke zweimal durchstoßen und die dort umlaufenden
Kometenkerne von ihrer Umlaufbahn ablenken. Die Folge wäre,
dass dann eine große Zahl von Kometen in das Innere
Sonnensystem gelangt und viele von ihnen mit den Planeten
kollidieren könnten. Aber auch wenn Kometen in engen Bahnen um
die Sonne kreisen, verlieren sie ihre Gas- und Wasseranteile,
die man ja häufig als Schweif beobachten kann. Übrig bleiben
mehr oder weniger große Gesteinsbrocken, die dann innerhalb
einiger Millionen Jahre hauptsächlich in die Sonne stürzen,
aber eben auch auf die Planeten und die Planetenmonde. Gerade
die Monde in unserem Sonnensystem zeigen zahllose
Einschlagkrater, die zu manchen Zeiten gehäuft entstanden sein
müssen.
Der hypothetische Begleitstern der Sonne hat sogar schon einen
Namen. Er heißt Nemesis, nach der griechischen Göttin der
Vergeltung und des Ausgleichs. Er kann nicht sehr hell sein,
denn sonst hätte man ihn längst entdeckt. Auch seine Masse
muss wesentlich kleiner als die der Sonne sein, anderenfalls
wäre der Schwerkrafteinfluß auf die Bewegung der Sonne und der
Planeten bemerkt worden. Man könnte aber an einen
Riesenplaneten denken, oder an einen Braunen Zwerg. Braune
Zwerge bilden das Zwischenglied zwischen Planeten, die kalte
Gas- oder Gesteinsbälle darstellen und echten Sternen, die
durch Kernfusion hell leuchten. In der Größenklasse zwischen
13 und 75facher Jupitermasse kann ein Himmelskörper sich aber
durch die eigene Schwerkraft so stark zusammenpressen, dass
eine Aufheizung entsteht. Er würde dann hauptsächlich im
infraroten Licht strahlen, eventuell schwach bräunlich - daher
der Begriff Brauner Zwerg. Bei so schwachem Leuchten müsste
man ihn mit Infrarotteleskopen suchen. Tatsächlich gehört auch
die Suche nach sonnennahen Braunen Zwergen mit zu den Aufgaben
des im Mai 2009 gestarteten Satellitenteleskops Herschel, das
im Jahre 2010 sein umfangreiches Durchmusterungsprogramm
begonnen hat. Wenn es also diesen geheimnisvollen Stern
wirklich gibt, dann wird Herschel ihn auch finden.
U. Mutze
Literatur:
Sterne und Weltraum, 2005, Heft 12, S. 31
Sterne und Weltraum, 2010, Heft 7, S. 52
Hans-Ulrich Keller, Himmelsjahr 2010, Thema November
Jürgen Banisch, Die Sonne, Oculum-Verlag, 2009
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