Informationsblatt der Palitzsch-Gesellschaft e.V.

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Infoheft 2012.5-2


Astronomisches in Prag


Wer in Prag weilt, kann sich auch mit großem Erkenntnisgewinn jene Stätten ansehen, die mit der Geschichte der Astronomie im Zusammenhang stehen.
Die Astronomie datiert in Prag mit der Gründung der Universität durch Karl IV. im Jahr 1348.
Jeder kennt die berühmte astronomische Uhr (1410) am Rathausturm, aber wer besucht das Nationale Technische Museum? Hier befindet sich die größte Sammlung von astronomischen Instrumenten des Landes aus der Zeit vom 15. bis zum 20. Jahrhundert, darunter viele vor der Erfindung des Fernrohres, u.a. von Tycho de Brahe.
Die Blütezeit der Astronomie in Prag sind zweifellos die Jahre der wissenschaftlichen Tätigkeit von Tycho de Brahe (1546-1601, in Prag 1599-1601) und Johannes Kepler (1571-1630, in Prag 1600-1612). Brahes Beobachtungsort lag im Belvedere, einer Gartenanlage nahe der Prager Burg. Kepler arbeitete in Prag als Assistent Brahes und nach dessen Tod an der Auswertung von Brahes hochpräzisen Beobachtungen der Planetenbahnen, besonders der Marsbahn. Im Jahre 1609 publizierte er in seinem astronomischen Hauptwerk „Astronomia Nova“ die ersten zwei seiner drei bahnbrechenden Gesetze über die Bewegung der Planeten. In der Prager Zeit beschäftigte er sich auch mit der astronomischen Optik, darunter mit der Theorie des Linsenfernrohres.
Kepler ist an einem seiner Prager Wohn- und Arbeitsorte ein kleines Museum gewidmet (Karlova ul. 4), Tycho de Brahes Grabstein befindet sich in der Teynkirche und auf der Keplerova ul. steht ein Denkmal für beide Astronomen.
300 Jahre nach Keplers Fortgang, von 1911-1912, war Albert Einstein Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik der Prager Karls-Universität. Einstein hatte in Prag Begegnungen u.a. mit Planck, Lorentz, Madame Curie, Poincaré und Kafka.
Das Nationalmuseum am Wenzelsplatz (wegen Rekonstruktion vom Juli 2011 bis zum Juni 2015 geschlossen) zeigt in der astronomischen Abteilung Astrolabien, Uhren und eine Meteoritensammlung.
Auf dem Pflaster des Altmarktes ist der Prager Meridian (14° 25´ 17´´ östl. Länge) markiert.
Das Clementinum in der Altstadt, nahe der Karls-Brücke gelegen und nach der Prager Burg der größte Baukomplex der Stadt, wurde von den im Jahre 1556 nach Prag gerufenen Jesuiten als zweite Universität des Landes, als Cle-mentinum College errichtet und umfaßt neben Kirchen, anderen Gebäuden und Innenhöfen vor allem den Astronomischen Turm und den barocken Bibliotheksaal. Dreizehn Sonnenuhren zieren das Clementinum. 1722 war das Clementinum vollendet.
Von besonderem Interesse ist der Astronomische Turm, auf dessen Spitze Atlas eine große Erdkugel trägt. Um 1750 begannen hier astronomische und 1775 meteorologische Beobachtungen. Die Jesuiten Joseph Stepling (1716-1778) und J. Klein (1684-1762) wirkten hier als Astronomen. Klein konstruierte zwei astronomische Uhren, eine tychonische und eine kopernikanische. Im Dresdener Mathematisch-Physikalischen Salon befindet sich eine weitere Uhr von ihm.
Im wunderbaren Bibliothekssaal befindet sich etwa ein Dutzend Erd- und Himmelsgloben aus dem frühen 18. Jahrhundert. Heute gehört der Saal zur Nationalbibliothek.
Die wichtigste Einrichtung im Astronomischen Turm ist der Meridiansaal.
Hier sieht man zwei von J. Klein konstruierte, fest in die Wände eingebaute metallene Quadranten, Öffnungen in den Wänden und eine Vorrichtung mit einer Schnur als Prager Meridian (s Abb.)
 

Seit dem Jahr 1928 wurden die astronomischen Beobachtungen in das neue Sternobservatorium in Ondrejov verlegt, 35 Kilometer südöstlich von Prag.
Innerhalb der Stadt liegt noch die im Jahr 1928 gegründete Stefaník-Sternwarte auf dem Petrín-Hügel. Sie besitzt einen Zeiss-Doppelrefraktor aus dem Jahre 1908 und ein astronomisches Museum. Ihre heutige Aufgabe ist die Po-pularisierung der Astronomie.
Das trifft ebenfalls auf das Planetarium zu, welches mit Technik von Carl Zeiss Jena ausgerüstet ist. Es wurde 1960 eröffnet. Mit einem Kuppeldurchmesser von 23,50 Metern und 210 Zuschauerplätzen gehört es zu den größten Planetarien.
Vor ein paar Tagen fand ich einen Artikel von Rudolf Merget in „Meteor“, Zeitschrift für Meteorkunde (Nr. 2 / 1989, Heft 14, 4. Jg.). Der Artikel lautet:
„Das heutige Prag liegt mitten im Kraterring eines Meteors“. Zwei Forscher der Universität Boston, Prof. Michael Papagiannis und Prof. Farouk el Baz, ein Geologe, hatten den Krater von 320 km Durchmesser auf Satellitenbildern, die aus einer Höhe von 36 000 km Höhe gemacht wurden, entdeckt. Papagiannis erforschte seit 1983 das Prager Becken, nachdem von ihnen auf Photos eines Wettersatelliten die Umrisse eines Kraters erkannt worden sind. Aus der Größe des Kraters wurde auf einen Durchmesser des Meteors von 80 km geschlossen. Und tschechoslowakische Wissenschaftler hatten südlich von Prag eine50 km lange Fundstelle meteoriten-typischer Mineralien gefunden.
Der heutige Leser fragt sich, was ca. 30 Jahre später aus dieser Hypothese geworden ist.

Dietmar Scholz

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